Exkurs: Blühmischungen
Saatgut ist nicht gleich Saatgut. Viele der in Gartencentern, im Kontext von Aktionen zur Insektenrettung und zum Teil auch im Fachhandel erhältlichen Samentüten und Saatgutmischungen enthalten Arten bzw. genetische Variationen von Arten, die nicht in die heimische Natur gehören. Es handelt sich hierbei oftmals um Arten fremder oder unbekannter Herkunft aus Anbaugebieten außerhalb Deutschlands oder außerhalb der EU. Anwender von solchen Blühmischungen sollten sich bewusst sein, dass ihre Ansaat die heimische Artenvielfalt nicht „pauschal“ fördert. Zudem sind die gesetzlichen Regelungen für das Ausbringen von Saatgut in der freien Landschaft zu beachten:
- Verbreitung von Neophyten: Bei dem Inhalt vieler im Handel erhältlicher Samentüten handelt es sich nicht oder nur teilweise um die durch bunte Tütencover suggerierte Artenzusammensetzung heimischer Wildarten. Häufig sind hier einjährige Exoten aus Florenregionen außerhalb Deutschlands, gärtnerisch gezüchtete Farbvarianten von heimischen Wildarten oder sog. „Doppelgänger“ (Hersteller-Verwechslung mit heimischen Arten) enthalten. Einige dieser Arten samen sich leicht aus und neigen zum Verwildern. Es handelt sich dabei um Neophyten, die nicht Teil der heimischen Artenvielfalt sind.
- Gefährdung der innerartlichen Vielfalt: Es ist davon auszugehen, dass Pflanzenarten, die aus Populationen einheimischer Sippen eines bestimmten Gebietes abstammen, an die in diesem Gebiet herrschenden Umweltbedingungen in besonderer Weise angepasst sind. Sie weisen häufig eine genetische Differenzierung gegenüber Populationen der gleichen Art in anderen Gebieten auf und werden als gebietsheimisch (autochthon) bezeichnet. Die Verwendung von gebietsfremdem Saatgut birgt das Risiko, dass es durch Einkreuzungen von fremden Herkünften zu Florenverfälschungen kommen kann und die neu ausgebrachten Arten nicht mehr optimal an die Standortbedingungen angepasst sind bzw. ihre Funktion im Ökosystem (z.B. als Nahrungsquelle) nicht mehr entsprechend wahrnehmen können.
- Generalisten und Spezialisten: Bei vielen der heimischen Insekten handelt es sich um spezialisierte Arten, die bei der Nahrungssuche auf Pollen heimischer Wildpflanzenvorkommen angewiesen sind. Im Gegensatz zur Honigbiene, die als Generalist verschiedene Pollenquellen nutzen kann, sind viele Blühmischungen für Pollenspezialisten (z.B. viele Wildbienen) kaum geeignet. Für diese Arten ist es naturschutzfachlich sinnvoller, Flächen unter Ausnutzung des im Boden vorhandenen Samenpotenzials der Selbstbegrünung zu überlassen oder eine Mahdgutübertragung von geeigneten benachbarten Wiesen durchzuführen. Sofern kurzfristig blühende Bestände auf Ackerflächen angelegt werden sollen, bietet es sich an, auf reine Kultur-Mischungen zurück zu greifen (Phacelia und Co.) oder sog. Regiosaatgut zu verwenden.
- Regiosaatgut: In Deutschland existieren zwei Zertifizierungssysteme für gebietsheimisches Saatgut: VWWRegiosaaten© und RegioZert©. Ab dem 01. März 2020 ist laut § 40 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) die Verwendung von gebietsheimischem Saat- und Pflanzgut in der freien Landschaft zwingend vorzusehen. Von dieser Regelung ausgenommen sind u.a. private Gärten und landwirtschaftliche Nutzflächen.